Molucca, fremdes Kraut

Zwei kolorierte Kupferstiche aus dem 17. Jahrhundert zieren nun meine Wände, ein im mehrfachen Sinn wertvolles Geschenk einer ganz besonderen Freundin zu meinem Geburtstag. Lange stand so ein Kupferstich auf meiner Wunschliste und nun erfreue ich mich jeden Tag daran. Was mich an dieser Kunstform besonders fasziniert, ist das weitreichende Wissen um Botanik und die gekonnte Darstellung derselben. Außerdem geben sie einen interessanten Einblick in die Pflanzenwelt längst vergangener Zeiten.

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Die Bilder stammen aus der umfassenden Sammlung „Hortus Eystettensis“, die die ganze Pracht und Vielfalt des botanischen Renaissance-Gartens des Fürstenbischofs Johann Conrad von Gemmingen (1561-1612) widerspiegeln. Der Nürnberger Apotheker und Künstler Basilius Besler (1561-1629) fertigte insgesamt 367 Kupfertafeln an, in denen er akribisch und kunstvoll zugleich alle Pflanzen des mittelalterlichen Gartens von Eichstätt dokumentierte.

img_3128Melissa Moldavica und Molucca Levis sind auf dem linken Bild kunstvoll dargestellt, während Ligustrum und Guaiacana auf dem rechten Bild zu sehen sind.

Hans von Trotha zitiert in seinem Buch Gartenkunst den Philosophen Bertrand Russell: „Wenn ich mit einem intellektuellen Freund spreche,  festigt sich in mir die Überzeugung, vollkommenes Glück sei ein unerreichbarer Wunschtraum. Spreche ich dagegen mit meinem Gärtner, bin ich vom Gegenteil überzeugt“.

Diese Überlegungen kann ich gut nachvollziehen. Was brauche ich vom Glück zu träumen, wenn es in meinem Garten schon bereit liegt. Betrachte ich meine zwei kunstvollen Bilder, so ist es, als würde ich einen flüchtigen Blick in die Vergangenheit erhaschen und ein Garten wird lebendig, der die Menschen damals genauso berührte. So schön, dass ich jetzt ein Stück vom Paradies an meiner Wand habe, das ich mir jederzeit erschließen kann.

Trotha: „Betrachtet man einen idealen Renaissancegarten, so sieht man einen Raum, in dem Architektur, Kunst, Natur und Landschaft ein harmonisches Ganzes bilden, um dem Menschen den idealen Raum für seine Entfaltung zu geben: zum Verweilen, zur Lektüre, für die Kunst, für die Liebe, zum philosophischen Gespräch, zur Erholung, dazu er selbst zu sein oder zu werden. Das ist eine Vorstellung vom Paradies, die um die Vorstellung vom Menschen im Paradies erweitert ist – ein zutiefst humanistischer und gleichzeitig zutiefst religiöser Gedanke“.

Platz da! Licht und Luft für den Garten.

Erst wenn die Bäume laubfrei sind, kommt die Struktur des Gartens so richtig zur Geltung. Der urplötzlich ganz dringliche Wunsch einen alten Nadelbaum von den unteren Ästen zu befreien um einen Ausblick in die Landschaft zu bekommen wurde heute endlich erfüllt. Dieses Gefühl „heute, jetzt und auf der Stelle“ kenne ich aus einem anderen Bereich: mit dem Friseur warte ich auch immer bis zum letzten Moment, ehe ich eines Tages aufwache, einen Blick in den Spiegel werfe, um mich auf der Stelle einen Termin Friseurtermin zu kümmern, keinen Tag länger will ich dann warten. So ähnlich ging es mir mit dem Garten im Herbst. Dank der Hilfe lieber Freunde, deren Motorsäge und Häcksler wurde heute ordentlich im Garten gewerkt. Gemeinsam macht es einfach noch mehr Spaß.

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Eine alleinstehende Thuja ist im hohen Alter immer mehr in die Breite gegangen. Sie bedrängte massiv den schönen Hartriegel (cornus cousa). Am meisten störte mich, dass ich keine Aussicht mehr auf die entfernten Berge hatte. Dabei mag ich die Gebirgs-Silhouette im orangeroten Abendlicht zu gerne.

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Überhaupt braucht der Garten mehr Luft und Licht. Manchmal ist es richtig befreiend, den bedrängten Pflanzen mit der Motorsäge Luft zu verschaffen. Es passiert ohnedies viel zu schnell, dass alles viel zu dicht wird. Heuer habe ich mir oft gedacht: wann ist das passiert. Hier ein nicht geplanter Weißdorn, dort ein plötzlich hoher Hollerstrauch, und Zuwächse an Bäumen und Sträuchern im überbordenden Ausmaß. (Andererseits: vielleicht findet sich ja doch noch ein Plätzchen für die beiden Bäumchen, die derzeit noch im Topf auf der Terrasse geparkt sind.)

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So kam es mir gerade recht, dass meine Nachbarn im Herbst ihren Garten neu gestalteten und unsere verbindenden Bäume an einer Gartenseite ziemlich zurück nahmen. Immer eine grenzwertige Sache, welcher Baum kann weichen, wieviel soll zurück genommen werden. Aber ich finde, wir haben ein gute Lösung gefunden, beide haben profitiert, die Pflanzen allemal. So befinden ich mich auf einem guten Weg mit meinem Vorhaben nach mehr Luft und Licht für den Garten. Fertig bin ich aber noch nicht. Zuerst müssen noch die restlichen Äste aufgearbeitet werden und die Buchenhecke muss auch noch in Form gebracht werden, nachdem sie heute von meinen fleißigen Helfern von unnötigem Wildwuchs außerhalb des Gartens erstmals befreit wurde.

 

Alles Gute Baum, alles Gute Victoria!

Heute vor 27 Jahren kam meine ältere Tochter zur Welt. Unvergesslich und schön für meine Familie und mich. Aber auch ein wichtiger Tag in der Geschichte. Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer. In den Abendnachrichten brachten sie einen Mann, der über die Mauer kletterte und das Victory-Zeichen deutete. So fasste ich den Entschluss, mein Baby Victoria zu nennen. Hoffnung und Zuversicht nährten meine Gedanken in diesen Tagen. Politik und Gesellschaft waren in Bewegung. Es schien, als würde mein Kind in eine gute Zukunft gehen. Heute ist wieder so ein prägnanter Tag. Allerdings lässt das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in den USA gar nichts Gutes erahnen. Unverständnis, Sorge und ein Gefühl der Ohnmacht bestimmen heute meine Gedanken.

Ich weiß, dass solche Überlegungen in einem Gartenblog eigentlich wenig zu suchen haben. Aber, wenn ich aus dem Fenster blicke, sehe ich einen Fichtenbaum, der genau so alt ist wie meine Tochter Victoria. Ich wollte für unsere ersten Weihnachten nicht einfach einen Baum kaufen um ihn nach ein paar Tagen wieder wegzuwerfen. So zog ich los, besuchte Gärtnereien und suchte einen ganz besonders schönen, lebenden Baum im Topf aus, der nach den Feiertagen in den Garten gepflanzt wurde. Er wächst und gedeiht, wird jedes Jahr schöner und erinnert mich an die Zeit vor 27 Jahren. Ein Vogelhaus, das durchgängig bewohnt ist, und eine Eichkätzchenfamilie beleben die große Fichte. Der Baum ist ein Symbol für meine Familie, meine Tochter und mich und auch ein klein wenig für eine hoffnungsvolle Zukunft. Möge der Baum weiter wachsen, gesund und kräftig bleiben, seine Umgebung gestalten, Heimat und Nahrungsquelle für Tiere sein, Freude bringen und möge er ganz alt werden. Alles Gute Baum, alles Gute Victoria!

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Die meisten Blüten sind dahin, bald werden die Blätter den Farbcode im Garten bestimmen. Hier und dort eine vereinzelte Blüte, einige Dalien, verblühte Stauden, Fruchtstände, Samen. Während sich die Sommer- und Herbstblumen verabschieden, kommen andere Stauden erst jetzt zur Geltung. Chrysanthemen geben dem Garten im Spätherbst noch einmal so richtig Schub. Voriges Jahr in der Gärtnerei neben dem Karl Förster Garten bei Potsdam gekauft, bilden sie schon nach einer Saison kräftige Horste. Leider sind zwei Sorten bald nach dem Pflanzen den gefräßigen Schnecken zum Opfer gefallen. Bis ich es bemerkte war nichts mehr zu retten, außer dem Pflanzschild, das ich zumindest beim Einzug in den Garten immer dran lasse, damit ich bei Bedarf die Sorte ablesen kann. Meistens vergilbt das Schild nach dem ersten Sommer, den Namen habe ich dann längst vergessen und es ist auch völlig egal wie die Blume heißt – sie gehört dann einfach dazu. Schließlich sind auch Blumennamen Schall und Rauch.

Jetzt wird auch der Weg durch den Garten wieder zum Spießrutenlauf. Jeden Tag ein paar neue Maulwurfshügel, einer höher als der andere, als wollten sich die Viecher gegenseitig etwas beweisen. Am Ende trainiert sich da eine unterirdisch Maulwurfsmannschaft für eine olympische Disziplin hoch um im Frühling auch noch bei den Damen überirdisch zu glänzen?

Außerdem frage ich mich, ob die Größe des Erdhaufens vielleicht ein Indiz für den bevorstehenden Winter sein könnte. Je höher, desto kälter? Je mehr, desto länger? Naja, wir werden sehen. Und überhaupt bin ich nicht sicher, ob der eine oder andere Hügel nicht einer Wühlmaus entspringt, worüber ich nicht sehr erfreut wäre.

Zeitig im Frühling setzte ich ein Artischockenpflänzchen. Ich mag die Früchte, wenngleich ich hier keine großen Ernteerwartungen gehabt hätte, mir gefallen auch die Wuchsform und die schöne lila Blüte. Am nächsten Tag allerdings war die kleine Pflanze wie vom Erdboden verschluckt, keine angeknabberten Blätter, keine Reste, gar nichts. Nach dem nächsten und dritten Versuch war mir klar, dass nicht der Erdboden schluckt, sondern vermutlich eine Wühlmaus sich da unten das Bäuchlein wohlig streichelte, ob des verlässlichen Nachschubs von oben. Nicht mit mir, die Idee mit der Artischocke habe ich dann gelassen. Zumindest bis zum nächsten Frühjahr.

Wohliges von draußen und drinnen

Dieser September war ganz nach meinem Geschmack. Viele schöne Wanderungen und Bergtouren führten dazu, dass ich mich so richtig aufgetankt und wohlig fühle. Auch wenn der vergangene Monat außergewöhnlich angenehm war, so heißt das nicht, dass nicht auch der Oktober noch wärmende Sonnentage zu bieten hat. Bis zur grauen Jahreszeit bleibt sicher noch genug Zeit, um sich über die beginnende Herbstfärbung zu freuen, schöne Disteln und die letzten Enziane zu entdecken, Farben und Geruch des Herbstes und den Rückzug der Natur auch für sich selber wahrzunehmen. Langsam wendet sich der Blick wieder stärker nach innen. Und so passt es nur zu gut, dass mein Avocadobaum nach dem Rückschnitt wieder zu zaghaftem Leben erwacht, ich hatte im vorigen Blogbeitrag ja von unserer ganz besonderen Beziehung erzählt. Ich bin also zuversichtlich, dass wir dem Jahresende versöhnt entgegen blicken können.

Eine besondere Entdeckung machte ich gestern bei meiner Yucca, indoor wohl bemerkt. Auch sie wollte ich schon kappen und neu einsetzen. Nicht, dass jetzt nicht der Eindruck entsteht, ich wüte wie ein Berserker unter meinen Topfpflanzen, natürlich nicht, es handelt sich hier um eine reine Koinzidenz zweier Pflanzen, die einfach zu groß wurden mit der Zeit. Die Yucca wächst nicht nur zielstrebig ihrem Glasdach entgegen, sondern sie ist mittlerweile so kopflastig, dass ich einen Umsturz befürchte und Bilder vom traditionellen Maibaumfällen zur falschen Jahreszeit auftauchen.

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Nun ja, nach ungefähr zwanzig Jahren blüht diese Yucca jetzt ziemlich überraschend. Ich kenne diese Pflanzen sonst nur verzweifelt auf irgendwelchen einsamen Verkehrsinseln wachsen oder meist stehen sie recht unpassend und tatsächlich nicht im Garten integriert. Mein Herz schlägt nun wirklich nicht für Yuccas, weder drinnen noch draußen. Noch dazu hat mir einmal eine Feng-Shui Anhängerin erzählt, dass die spitzen Blätter sich nachteilig auf die Aura im Haus auswirken. Es muss sich um eine flüchtige Bekanntschaft gehandelt haben, denn ich kann weder dem Esoterik-Genre etwas abgewinnen noch kann ich mich an die Person erinnern, die Aussage blieb aber irgendwie hängen. Außerdem bestätigt die Praxis das Gegenteil: ich fühle mich in meinem Wintergarten pudelwohl!

 

Avocado-Beobachtungen

Avocados erleben derzeit einen Hype wie allseits in den Medien zu lesen ist. In Mexiko werden riesige Wälder abgeholzt, damit die Nachfrage gestillt werden kann. 1.500 bis 4.000 Hektar sollen es gar sein wie im heutigen Standard zu lesen ist. Den Bauern ist der geringste Vorwurf zu machen, dass sie einem lukrativen Geschäft nachgehen wollen.

Im Spiegel las ich neulich, dass Diebe in Neuseeland ganze Avocado Ernten stehlen würden.  Avocados als Diebesgut? Eine skurrile Vorstellung. Und doch gar nicht so abwegig im Wissen, dass für eine Frucht um die 3,75 Euro zu lukrieren ist.  Preis und Nachfrage scheinen auf allen Seiten zu stimmen und auch die kriminelle Szene muss sich schließlich nach der aktuellen Marktlage richten.

Als Avocado Junky – und das seit vielen Jahren – macht mich diese Entwicklung natürlich auch betroffen. Beim Gedanken, dass die Verfügbarkeit sinken und der Preis steigen könnten, müsste ich mir echt etwas überlegen. Grundsätzlich hätte ich meinen Avocadobaum ja im Haus. Vor rund zehn Jahren wiederwillig gekauft und ins Auto gestopft, eine Freundin hat ihn förmlich aufgeschwatzt, sitze ich praktisch an der Quelle. Aber nur vermeintlich, denn das Ding lässt mich mit einer Ernte völlig im Stich. Wir pflegen eine innige, zarte und äußerst heikle Beziehung.

Es gibt Zeiten, da treibt der Baum kräftig aus und jedes Jahr blüht er wie verrückt und macht mir Hoffnung auf Früchte. Wenn ich ein paar Tage nicht zu Hause bin, lässt er vorwurfsvoll die Blätter hängen, obwohl er ersatzweise von einer anderen Person gegossen wird. Nach ein paar Tagen kommen wir beide zum Glück immer wieder ins Lot.

Vor ein paar Monaten musste ich ihn zurückschneiden. Bei mehr als vier Meter Höhe stoße ich an meine Grenzen, der Avocadobaum sowieso, selbst im großen Wintergarten. Nur, seither ist der Baum einfach sparrig, will nicht so recht austreiben und ich hoffe sehr, dass sich auch diese Laune bald legen wird. Störrischer Avocadobaum.

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Cyclamenduft liegt in der Luft

Wer jetzt per Rad oder zu Fuß durch die Wälder streift, kann sich kaum dem betörenden Duft der kleinen Cyclamen entziehen. Lange bevor ich die rosa Blüten sehe, strömt schon der vertraute Duft in meine Nase und ruft Erinnerungen an die Schulferien hervor. Meine Großeltern lebten auf einem Bauernhof in Windischgarsten, das ist ein hübscher Ort im südlichen Oberösterreich, in der Pyhrn – Prielregion.  Rundherum schöne Wälder und viele Berge.

Als Kind verbrachte ich die Ferien dort unglaublich gerne. Nicht nur, dass immer viele Cousinen und Cousins zum spielen herum waren und der Bauernhof ein großer Abenteuerplatz war. (Heute würde man wahrscheinlich Erlebnisplatz dazu sagen, so wie viele Orte mit dem Zusatz „Erlebnis“ vermeintlich interessanter gemacht werden, vom Schwimmbad bis zum Spielplatz.) Ich hatte viel Spaß und genoss die Freiheit, den ganzen Tag draußen zu sein und nur zum Mittag- und Abendessen hungrig nach Hause zu kommen. Die Wälder dufteten nach Cyclamen und bis heute ist dieser Duft für mich der Inbegriff von Ferien und eine wohlige Erinnerung an diese schöne Zeit am Bauernhof meiner Großeltern.

In meinem Garten sind auch Cyclamen eingezogen. Ich mag an dieser Pflanze eigentlich alles: die charmanten Blüten, die schön marmorierten, dunkelgrünen, herzförmigen Blätter, auch den Blütenstiel, der sich nach der Blüte wie ein Bischofstab einrollt und die eigenartig flachen Knollen oder Fladen unter der Erde. Zum Duft ist nur zu sagen: unverwechselbar und überaus reizvoll.

Die Frühlingsblüher erscheinen seit mehreren Jahren verlässlich zeitig im Jahr. Neu sind heuer mehrere Herbst-Cyclamen, die ihre weißen Blüten in kräftigen, derzeit noch blätterlosen, Tuffs bündeln. Zu meiner großen Freude blüht im Schatten unter der Davidia auch ein kleines Büschel rosa Cyclamen. Jeden Tag schlendere ich nun daran vorbei und hole mir eine Nase voll schöner Kindheitserinnerungen ab.

 

 

 

Rund um den Gosaukamm

Der Gosaukamm ist ein bekannter Gebirgsstock im Dachsteinmassiv und die Umrundung desselben ist ein Klassiker unter den Bergtouren. Nähert man sich dem Ort Gosau, erkennt man schon von Weitem den markanten Kamm. Gosau ist ein Ort mit schönen, traditionellen Holzhäusern, touristisch durchaus attraktiv und zum Glück bis heute von übertriebenen Hotelburgen und sonstigem ländlichen Kitsch weitgehend verschont geblieben. Am schönsten ist allerdings der Talschluss mit dem malerischen Gosausee, der Ausgangspunkt meiner Wanderung. Im grünen Gebirgssee spiegelt sich wunderschön der Dachstein und wir fragen uns, wie lange wohl die Gletscher dieses berühmte Bild noch prägen werden. Hier am Gosausee startet auch unsere Zweittages-Tour rund um den Gosaukamm. Wir meiden die Gondel zur Gablonzerhütte und starten zu Fuß durch den Wald hoch.

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Schon als wir uns der Bergstation nähern, kommen uns Touristen entgegen, die die Aussicht kurz genießen und deren Radius nicht allzu weit reicht, daher sind wir schon bald wieder unter uns. Der viele Regen macht den Weg streckenweise zu einer unangenehmen Rutschpartie, aber südseitig wird es bald besser und wir gewinnen einen ersten Blick auf die prominente Bischofsmütze. Vor einigen Jahren brach ein großer Teil des Felsens ab, die Geröllmassen erforderten die Verlegung eines kurzen Streckenabschnitts, der jetzt etwas steil über eine Kuppe führt.

Am Nachmittag erreichen wir über eine großzügige Weide die gemütliche Loseggalm, wo wir übernachten. Hier werden Butter, Topfen und acht verschiedene Käsesorten in einer unübertroffenen Qualität produziert. Wie ich lerne, ist dieser Umstand der besonders fettreichen Milch der Jerseykühe zu verdanken, die natürlich den ganzen Sommer über dort leben und die saftigen Wiesen genießen. Die himmlisch cremige Topfentorte bleibt auf ewig unvergessen und alleine dafür werde ich bald wiederkehren.

Der Blick auf die zahlreichen Zacken des Gosaukamms ist von hier aus besonders imposant. Auch das Tennengebirge und dahinter der Hochkönig sind schön sichtbar. Bei einem Abendspaziergang zur Mahdlalm genießen wir ein kühles Bier und die Aussicht auf die hohen und niederen Tauern. Zurück auf der Loseggalm genießen wir die untergehende Sonne, die alle Bergspitzen in ein Abendlicht taucht, das jede Ritze und Felsspalte klar modelliert.

Morgens geht’s weiter über die große und nicht sonderlich attraktive Hofpürgelhütte. Hier nehmen größere Gruppen gerne Quartier, besonders für Kletterer ist diese Gegend als Trainingsgebiet ein Eldorado. Wir halten uns nicht lange auf und folgen dem steilen Pfad auf den Steigelpass. Der Blick reicht weit bis zur Adamekhütte am Dachstein. Der Weg dorthin würde allerdings über fünf Stunden dauern und ist auch nicht unser Ziel. Wir erreichen nun den Pass und sehen wieder die Geröllmassen vom Felssturz, dieses Mal schon von der anderen Seite der Bischofmütze.

Ab jetzt geht´s nur noch bergab, allerdings noch immer ein ziemlich weites Stück. Auf dieser Seite zeigt sich der Gosaukamm noch wilder, die Zacken scheinen näher und der Weg führt durch felsiges Gelände. Ab und zu sind Dolinen zu sehen, in denen sich sogar noch Schneereste finden. Das letzte Wegstück führt uns durch den Wald – mit einige botanischen Entdeckungen – hinab zum Gosausee, dem Anfangs- und Endpunkt unserer Gosaukammumrundung.

 

 

 

Buchtipp: Alpenpflanzen

Manche Bücher vergisst man. Nicht weil sie unterinteressant wären, sondern weil man nicht gleich dazu kommt sie zu lesen, und als ordentlicher Mensch gleich in das Regal einreiht. Wie mir das mit diesem Buch passieren konnte, ist mir unerklärlich. Denn „Alpenpflanzen“ ist die perfekte Lektüre für Personen (wie mich), die ihre Wanderleidenschaft mit der Freude an alpinen Pflanzen vereint sehen. Also ganz nach meinem Geschmack.

Auf der Suche nach mehr Informationen über Nigritella habe ich zum Glück dieses außerordentlich interessante und aufschlussreiche Buch wieder entdeckt und gleich viele Ideen für weitere Wanderziele mitgenommen.

Alpenpflanzen listet auf 535 Seiten 91 Wanderungen hauptsächlich in den österreichischen, französischen und italienischen Alpen auf und stellt dabei immer eine botanische Besonderheit in den Mittelpunkt. Eine Beschreibung der Gattung, des Namens und des Lebensraumes der jeweiligen Blume gehen der folgenden Wanderbeschreibung voran. Unglaublich detailreich und mit absolut fundiertem Wissen werden unzählige Blumen beschrieben. Ein Beispiel: Ragwurz, für mich eine Neuentdeckung vor rund 2 Jahren auf einer Kroatienreise, werden hier gleich in 14! Varianten aufgezählt.

Alpenpflanzen: Die schönsten Bergtouren und Pflanzenportraits
Autor: Norbert Griebl
Verlag: freya

 

Nigritella corneliana: Kohlröslein in Pink

Über die Türkenbundorgie im Nationalpark Mercantour hatte ich im letzten Blogbeitrag geschrieben. Heute will ich von einigen anderen Raritäten und Besonderheiten der vielfältigen Bergwiesen in den Seealpen erzählen.

Gleich bei der ersten Wanderung erblickte ich eine pinke Schönheit auf der Wiese. Kleines Köpfchen in einem Farbverlauf von grellem Rosa bis rot und hellrosa. Steckt man dann noch die Nase rein, so entdeckt man einen feinen Duft von Vanille. Meine erste botanische Zuschreibung war schon richtig. Nigritella, das Kohlröschen, ist eine Orchidee und Endemit der Südwestalpen. In Österreich kenne ich das Kohlröschen nur in Schwarz. Aber auch hier zu Lande ist die Pflanze eher selten zu anzutreffe. Die bezaubernde pinke Variante begegnete mir noch öfter in den Seealpen: genauer gesagt zu Hunderten auf saftigen Wiesen verteilt, umgeben von der wunderbaren Bergwelt.

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Auffällig sind auch die kleinen Blüten der Viola, von weiß, gelb bis blau und lila, die ganze Almen überziehen. Oder der winzige Enzian, der so wie Viola in Massen die kurzen Wiesenböden in großen Höhen überziehen. Knapp über dem höchsten Punkt des „Tete de Sanguiniere“ auf rund 2.800 Meter Seehöhe streckte mir ein großer Enzianbusch die blitzblauen Köpfe wie zum Gruß entgegen.

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Die vielen anderen Blumenschönheiten zu beschreiben ist nahezu unmöglich. Edelweiß, Waldreben in blau, Akeleien, weißen Orchideen auf trockenen Steinhalden, lassen wir am besten die Blumen selbst sprechen:

Knabenkraut so weit das Auge reicht, Junkerlilien am Waldrand (da bin ich mir nicht ganz sicher, vielleicht kann ein Leser und Pflanzenkenner die Vermutung bestätigen) und eine tiefschwarze Teufelskralle mit beeindruckend großen Blüten.

Blumen, Farben, Berge, Seen, Düfte, ein ganz besonderes Licht und eine wohltuende Weite – alle Elemente zusammen zaubern eine Stimmung und hinterlassen Eindrücke, die ich nie vergessen werde. Vielleicht komme ich eines Tages wieder, zu einer anderen Jahreszeit, in der sich der Nationalpark Mercantour in einem neuen Kleid vorstellen wird.